Bus Stop Shelter in Sderot

Bus Stop Shelter

Sderot liegt in »the South« — was nicht unbedingt das Gleiche bedeutet, wie im Süden von Israel. Dort gibt es nämlich, von einigen kleinen Siedlungen abgesehen, außer Wüste und dem Ferienort Elat so ziemlich gar nichts. Auf der geistigen Landkarte der urbanen Israelis jedenfalls liegt Sderot ziemlich weit ab vom Schuss. Oder auch mitten drinnen: nur wenige Kilometer von der Grenze zu Gaza entfernt.

In den letzten acht Jahren — das heißt seit April 2001 — landeten hier wahrscheinlich die meisten selbstgebastelten Katjuscha-Raketen der Hamas. Es liegt auf halbem Weg zwischen Gaza und der Farm des Ex-Staatschefs Ariel Sharon — einem attraktiven Ziel fürdie Raketenschützen.

Der größte Teil der Bevölkerung in Sderot sind Menschen, die nach 1990 aus den ehemaligen Sowjetrepubliken eingewandert sind. Der Großteil der Neuankömmlinge musste die alte Staatsbügerschaft aufgeben, da es — zumindest fürUkrainer - auf legalem Wege keine doppelte Staatsbügerschaft gibt. Die Zionistischen Ideale waren selten Motivation fürdie Auswanderung — sind doch viele UdSSR-stämmige Juden eher säkular eingestellt. Vielmehr waren es die desolate wirtschaftliche Lage und die Aussicht auf bessere Chancen im Sinne des American Dream.

Heartbreaking

Sderot ist arm — hier wird mit Vorliebe das Statussymbol Auto mit Alufelgen auf Hochglanz gebracht. Wahrscheinlich eine Hochburg der nationalistisch-säkularen Einwandererpartei »Unser Haus Israel« des neuen Außenministers Liebermann. Mit Russisch kommt man hier eindeutig weiter als mit Englisch.

Fü mein Verständnis von Israel und dem Gazakrieg war es wichtig, dass ich hierher gefunden habe. In Sderot gibt es unzählige Bunker an allen Orten und füralle Lebenslagen. Das ergibt eine etwas seltsame Atmosphäre. Man kann erahnen, was der Raketenbeschuss hier im Alltag bedeutete.

Sderot Living area

Seit dem Gazakrieg Anfang 2009 ist es hier einigermaßen ruhig. Nur ab und zu landet noch eine vereinzelte Rakete. Die Hamas mag nicht mehr. »They don’t want more trouble, we beat the shit out of them« — um es mit den Worten eines Einheimischen zu sagen, der mich beim trampen mitgenommen hat.

Aber alle Splittergruppen hat die Hamas auch nicht unter Kontrolle, schließlich kann so ziemlich jeder, der ein Schweißgerät benutzen kann, so eine Katjuscha zusammenbauen. Bisher habe ich die Raketenangst als etwas eher Irrationales abgetan. Kassams fliegen wenn alles gut läuft ca. 10km. Die Zielgenauigkeit kann man eher in Kilometern als in Metern angeben.

Hope?

Illegal Flags

With Russian language you'll get more far in Sderot, than with english

Auch wenn sich die Wirkung nicht mit israelischen Präzisionsbomben vergleichen lässt, deren Explosionen noch 15km entfernt die Fensterscheiben erzittern lassen — die Auswirkungen auf den Alltag der Menschen sind dennoch nicht zu übersehen. Während Studenten im nahegelegenen Medien-College anfangs noch beim Raketenalarm gemütlich im Hof sitzen blieben, wurde die Angelegenheit und auch die Anzahl der abgefeuerten Raketen mit den Jahren immer ernster. Wer erst mal einen Verwandten oder Bekannten getroffen weiß, der versucht beim nächsten mal innerhalb der nach dem Alarm verbleibenden 10-20 Sekunden einen der zahlreich vorhandenen Bunker zu erreichen. Neben jedem Basketballfeld steht ein Schutzstand aus Army-Betonelementen. Bushaltestellen sind in Sderot durchweg als Bunker ausgebaut. Es ist eher die Angst, die ständige Bedrohung und der Stress des zum Bunker Rennens, der in den Menschen Spuren hinterlässt, als die eigentliche Gefahr getroffen zu werden.

Auch wenn ich den Gazakrieg immer noch fürunangemessen halte und sich aufgrund des Wann und Wie der Verdacht nicht von der Hand weisen lässt, dass dieser Krieg auch aus Wahlkampf taktischem Kalkül gestartet wurde. Auch wenn der größte Teil der Raketen im Nirgendwo niederging - man kann die Auswirkungen auf den Alltag eines jeden, der in der Region lebt, erfahren und spüen. Und auch den Frust verstehen, der sich angebahnt hat. Und wenn man die jungen Arsim, so nennt man hier die eher weltgewandten Alufelgenpolierer, auf den Straßen sieht und sie als Teil der in Gaza einmarschierenden Soldaten betrachtet, verwundert es weniger, dass da so brutal und rücksichtslos vorgegangen wurde.

Color for Hope

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